Eveline Kurath: «Stirbt jemand, lassen wir uns Zeit»

Geburt und Tod, Freude und Trauer, Liebes und Leides begleiten Eveline Kurath durchs Leben, wie so viele von uns.

Eveline Kurath: «Stirbt jemand, lassen wir uns Zeit»

4. August 2020 0
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Geburt und Tod, Freude und Trauer, Liebes und Leides begleiten Eveline Kurath durchs Leben, wie so viele von uns. Nach einer schwierigen Jugend habe sie eine Lehre gemacht als Geburts- und Gynäkologiepflegerin. «Wir waren die rechte Hand der Hebammen. In der Geburtsabteilung erblickten Kinder das Licht der Welt, und es starben Frauen, Säuglinge. Ich sah schlimme und schöne Sachen – sammelte eine Menge Lebenserfahrung. Wurde mir der Endlichkeit es Lebens bewusst.»

Eveline Kurath gilt als Einheimische, obwohl am Obersee zu Hause. «Seit 1963 ist der Flumserberg meine zweite Heimat. Hier verbringe ich seither Ferien und Wochenenden. Hier lernte ich meinen Mann kennen. Einen Flumserbergler.» So war es in den Flumserbergen, wo sie im Februar 2018 im Pfarrblatt der Gemeinde über die Hospizwohnung las und von der Hospizgruppe erfuhr. «Mein Interesse war geweckt. Ich schrieb ein Mail und lernte kurz darauf bei einem Höck Nicole Lymann und Bea Grünenfelder kennen. Eine sympathische Begegnung.» Eine Antwort der Stadtner-Gruppenleiterin habe sie beeindruckt. Eveline Kurath wolle wissen, was Begleitende machen müssten, wenn jemand sterbe zu Hause. «Dann lassen wir uns Zeit», habe Nicole Lymann gesagt. «Mir war sofort klar, hier bin ich richtig. In der Hospizgruppe Sarganserland will ich mich engagieren», sagte Eveline Kurath.

«Grossdädi ist mein Schutzengel»

Sterben und Tod hätten sie immer interessiert. Für ein Engagement, das war ihr klar, brauche es eine gewisse Lebenserfahrung. Im Jahr 2007 entschloss sie sich bei Dr. Gabriel Looser, Sterbeforscher, einen Begleitungskurs zu machen. «Ein achtsamer, guter Mensch», sagt Eveline Kurath. «Seither treffen wir uns alle zweimal jährlich. Das sind unglaublich bereichernde Tage.»

Erstmals konfrontiert mit dem Tod, wurde Eveline Kurath als Siebenjährige. «1963 starb mein geliebter Grossdädi. Am Morgen sass ich noch auf seinen Knien, am Abend war er einfach nicht mehr da, und niemand hats mir erklärt. Ich liebte ihn heiss, sah ihn nie mehr. An der Beerdigung tats mir sehr weh. Ich war so traurig. Niemand verstand mich. Dieses Erlebnis geht mir bis heute sehr nah.» Grossvater wäre auf einem Ledischiff gestorben. Eines, das noch heute täglich auf dem Obersee unterwegs sei. «Wenn ich es in Schmerikon vorbeifahren sehe, denke an Grossdädi. Er ist mein Schutzengel.»

Es sind besondere Bande, die das Leben knüpft. Gerade wenn Begleitende am Bett sitzen, wenn jemand stirbt. Dann lässt sich Eveline Kurath Zeit. «Ich empfinde ein gutes Gefühl, liebe die Stille, die Ruhe. Es macht mich glücklich zu spüren, der, die Begleitende wird ruhiger. Und dann freue mich für den Menschen, ders geschafft hat, der erlöst ist.

Es war wohl die Achtsamkeit und Weisheit des Lehrers, der Eveline Kurath gelehrt hat, in Ruhe zu bleiben und den Moment als Geschenk anzunehmen. In einem Blog-Beitrag erzählt Gabriel Looser von der Begleitung eines unbekannten Sterbenden. « … Ich denke an ihn wie an einen Freund. Dies im Bewusstsein, dass ich, aus tibetischer Sicht, bei ihm war im wichtigsten Moment seines Lebens, nämlich bei seinem Sterben. Diesen wichtigsten Moment teilte er mit mir. Diese Qualität von Verbundenheit habe ich – klarerweise – mit keinem meiner lebenden Freunde.»

Mit Beginn der Ausbildung zur Sterbebegleiterin wurde Eveline Kurath klar: «Ich habe ein Leben lang Menschen begleitet. In meiner Jugend, als Lehrtochter im Spital, in der eigenen Familie mit den beiden Kindern, mit ihrem Mann, «wir sind seit xx verheiratet», im eigenen Nagelstudio. Es waren die Menschen, die Eveline Kurath interessierten. «Sie zu begleiten im Leben und im Sterben ist ein Geschenk – für beide.»

Weil für Eveline Kurath Tod und Trauerbegleitung zusammen gehören, meldete sie sich  bei «Jemanja» in Bronschofen TG zur Schulung als Trauerbegleiterin an. «Dabei vertiefen wir uns mit Meditationen und Ritualen ins Leben, ins Sterben, in die Trauer. Ich wurde konfrontiert mit meinem Tod. Wir spielten alles durch. Ich lerne eine Menge und geniesse die spezielle Atmosphäre.» Seit Kurzem engagiert sich Eveline Kurath im Trauercafé der Hospizgruppe als Trauerbegleiterin.

An viele Kursen, Aus- und Weiterbildungen nahm Eveline Kurath mit ihrem Mann teil. «Wir meisterten viele Aufgaben zusammen. Sowohl in guten wie auch in nicht ganz einfachen gesundheitlichen Situationen. Nie aufgeben, war stets mein Motto. Und weil ich weiss, wie endlich unser Leben ist, verabschiede ich mich immer bewusst von meinem Mann.»

Sie könne loslassen, sagt Eveline Kurath. «Ich übe es jeden Tag und das immer bewusster. Mir ist klar: Uns gehört nichts auf dieser Welt. So sage ich mir regelmässig, ‹weniger ist mehr›.» Sie hält kurz inne. Sagt: «Und lass ich einen Menschen los, weiss ich, ihm öffnen sich andere Türen.»

Angst vor dem Sterben habe sie nicht. «Respekt habe ich. Demütig bin ich. Denn es ist ein grosser Übergang, den wir nicht kennen. Ich denke, ich werde über einen Regenbogen gehen – in ein Weiterleben.» Ich frage: «Kommen wir wieder?» Eveline Kurath lächelt. Sagt: «Das ist ein spannendes Geheimnis.» (MS, 21. Juli 2020)


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