
«Das Leben ist endlich. Plötzlich kann es vorbei sein. Das ist mir bewusst», sagt Rita Betschart. «Ich versuche dieses Wissen in mein Leben zu integrieren. Versuche, wenn möglich, meine Zeit zu geniessen. Uralt möcht ich nicht werden. Mir ist klar, ich könnte morgen sterben.» Die fröhliche Schwyzerin lacht und sagt, ihre Mission sei abgeschlossen, die Kinder erwachsen. «Ich wollte einen lieben Mann heiraten, wollte Kinder gebären, wollte reisen, habe vieles gesehen. Für mich stimmt es.»
Rita Betschart, 50, wohnt mit ihrer Familie in Bennau SZ und arbeitet als selbstständige Coiffeuse. Ihre drei Kinder sind erwachsen, Ehemann Alois kümmert sich um den Hof mit 22 Milchkühen. Als Kind wollte sie Krankenschwester werden, schnupperte mit Zwölf im Altersheim. «Ich musste helfen, Bewohnerinnen, Bewohner nach der Morgentoilette zu säubern. Das war Überforderung pur.»
Keine Überforderung für Rita Betschart ist die Betreuung und Begleitung ihres Bruders. «Er erkrankte 2006 an einem Hirntumor. Mit seiner Gesundheit gehts auf und ab. Er ist selbstständig und wohnt bei den Eltern.» Sie sei seine Ansprechperson, mache alles rund ums Medizinische, gehe mit zu allen Behandlungen. «Das belastet mich nicht, er ist seit drei Jahren stabil.»
Viel gelernt am Palliative-Care-Kurs
Das Spital als Arbeitsplatz übe eine gewisse Faszination auf sie aus, erzählte Rita Betschart einer Kundin. Sagte: Es sei ihr Wunsch, im Hospiz Hurden zu arbeiten. Das Gespräch entwickelte sich nicht so, wie es sich die Erzählende vorgestellt hatte. «Ich merkte, ich muss etwas tun für Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Eine andere Kundin macht mich auf die Hospizgruppe Sarganserland aufmerksam. Ich telefonierte mit Bea Grünenfelder und fand sehr rasch einen guten Draht zu Nicole Lymann.»
Ende August 2018 belegte Rita Betschart den SRK-Kurs Palliative Care in Buchs bei Rita Mätzler Eugster. «Sie erklärte alles sehr gut und beeindruckte mich mit ihrer überaus menschlichen Art. Sie war super.» Super sei ebenso die Gruppe aus dem Sarganserland gewesen. Mit im Kurs waren Annemarie Schrepfer, Margrit Rutzer, Verena Bartholet, Christine Friedli und Martin Schuppli.
Anspannung wurde Entspannung
Bei einem ihrer ersten Einsätze im Spital Walenstadt starb die begleitete Patientin. «Sie atmete schwer, war weit weg. Dann wurde sie still. Starb. Ich wartete einen Moment. Blieb still sitzen. Eindrücklich, wie sich die Anspannung in ihrem Gesicht löste. Sie schien fein und weich. Als denke sie, ‹ich habs geschafft›. Erfüllt fuhr ich nach Hause.»
Früher sagte Rita Betschart kaum jemandem, wofür sie sich engagiere. Das habe sich geändert. «Heute rede ich über meine Arbeit in der Hospizgruppe. Für mich ist jede Begleitung ein Geschenk. Mit meiner Gabe möchte ich mithelfen, dem Sterben den Schrecken zu nehmen. Für mich sind die Stunden bereichernd am Bett eines Menschen in seiner letzten Lebensphase. Ich erlebte viele gute Gespräche. Manchmal machts mich traurig, weil ich diese Menschen erst kennenlerne, wenns ums Sterben geht.»
Hast du Angst vor der letzten Reise?
Rita Betschart: «Nur vor dem Schmerz fürcht ich mich, obwohl ich weiss, Palliativ-Fachleute machen alles, damit Sterben nicht weh tut. Eher Angst macht mir das Wie-Sterben. Hätte ich eine schwere Krankheit, möchte ich erlöst werden. Für mich ist Exit ein Thema.» (MS, 28. Juni 2020)