Rosmarie Mischler: Einfach da sein, Zeit schenken

Ausserhalb der Komfortzone beginnt die Wachstumszone.

Rosmarie Mischler: Einfach da sein, Zeit schenken

2. Oktober 2020 0
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Ausserhalb der Komfortzone beginnt die Wachstumszone. Mit diesem Leitsatz konnte Rosmarie Mischler Teuscher anspruchsvollen Situationen im Leben Positives abgewinnen. Sie, die als junge Frau an Lymphdrüsenkrebs erkrankte. Jetzt, über 40 Jahre später, sitzt sie mir entspannt vis-à-vis und nichts lässt vermuten, was sie in ihren frühen 20er-Jahren erlebt hat.

«Sich nach der Diagnose zum ersten Mal mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen war – gelinde gesagt – nicht sehr gemütlich», sagt Rosmarie Mischler. «Dann kamen während der Chemotherapie der immer schwächer werdende Körper, die Schmerzen, das Erbrechen ohne Ende, die langen Nächte … » Sie hält kurz inne. «Mehr als einmal habe ich mir gewünscht, es wäre vorbei. Das hat meine Haltung gegenüber Leben und Tod nachhaltig beeinflusst.» Rosmarie Mischler lernte, im Moment zu leben.

Als sich die Krankheit meldete, hatte Rosmarie Mischler bereits viel Schönes und Spannendes erlebt. Die junge Frau hatte schon in Paris, Rom und London gelebt. Sie war ungebunden und auf dem Weg, Dolmetscherin zu werden. In Madrid wurde dann der Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert.

Am Steuerknüppel dem Krebs davongeflogen
Während den Therapien im Spital lernte Rosmarie Mischler viele Lebens- und Leidensgeschichten kennen. «Was mich dabei tief berührte war, wie sehr uns unerledigte Geschichten und unerfüllte Wünsche beschäftigen können.»

Da sich einerseits die Bestrahlungstherapie immer mehr in die Länge zog und ihr andererseits noch das Auslandsemester in den USA fehlte, fasste sie nach gründlichem Abwägen den Entschluss, die Therapie abzubrechen. Definitiv. «Vogel friss oder stirb!», meint sie augenzwinkernd. Sie büffelte für die Aufnahmeprüfung und erhielt einen Studienplatz an der Uni in Seattle.

«Als ich in den USA landete, war ich untergewichtig und etwas wackelig unterwegs, aber die Distanz zum Unispital Zürich hatte etwas Befreiendes.» Und das beflügelte sie. Buchstäblich. Sie nahm neben den Seminaren noch Flugunterricht und machte das Flugbrevet.

«Unvergesslich ist für mich der Moment, als ich den Flugtauchlichkeitsausweis in Händen hielt. Es fühlte sich an, als hätte mich der Fliegerarzt gesundgeschrieben.»

Plötzlich war der Sinn des Lebens weg
Mit 30 entschloss sich Rosmarie Mischler zur Selbstständigkeit. Sie gründete eine Sprachschule im Sarganserland und kaufte zwei Jahre später noch eine Sprachschule in Uster. Eine erfolgreiche Zeit begann.

Und dann wurde sie in eine neue Wachstumszone geschubst. Unverhofft rutschte die Unternehmerin in eine existenzielle Krise. «Ohne äusseren Anlass stimmte von innen her plötzlich vieles nicht mehr. Mir war wie der Sinn des Lebens abhandengekommen. Zwar konnte ich meinen privaten und beruflichen Alltag weiterhin meistern, aber mir fehlte etwas Vitales, etwas, das ich nicht benennen konnte.»

Nach längerem Suchen in verschiedene Richtungen fand sie zur Meditation. Sie hatte den Einstieg zu ihrem inneren Weg gefunden. Das Meditieren gehört nun seit über 30 Jahren zu Rosmarie Mischlers Alltag.

«Es kommt, wie es kommt.»
Dieser spirituelle Weg zeigt Wirkung. Das Leben wird einfacher. Sie strahlt, sitzt ruhig da, schaut mir in die Augen.

Vor einigen Jahren verkaufte Rosmarie Mischler ihre Sprachschule nach 30 Jahren Selbstständigkeit. «Nun habe ich Zeit. Für Aktivitäten mit meinem Mann, für Fernwanderungen, für die Hospiztätigkeit, ganz allgemein für Menschen.»

«Da sein, einfach nur da sein.»
Für die Hospizgruppe Sarganserland begleitet sie seit vier Jahren Kranke und Sterbende. Sie weiss, was es heisst, wenn man vor Schwäche kaum mehr einen Finger rühren kann.  «Kleine Handreichungen, wenig Worte. Meist geht es nur darum, einfach da zu sein. Kostbare Augenblicke – so bewegend und aufwühlend sie auch sein mögen.» Rosmarie Mischler hält inne. Lässt ihre Worte wirken. Dann sagt sie: «Jede Begleitung ist individuell und kann herausfordernd sein.» Sie lächelt verschmitzt: «Aber: Ausserhalb der Komfortzone beginnt die Wachstumszone.» (MS, RMT, 31. März 2021)


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